Für alle, die das Wort “Selbstliebe” nicht mehr hören können.
Das Internet ist voll damit.
Selbstliebe.
Selbstliebe.
Selbstliebe.
“Du musst nur lernen, dich selbst zu lieben.” - und dann?
Das habe ich mich auch jahrelang gefragt. “Und wie bitte soll ich denn alles an mir lieben, wenn ich dieses oder jenes absolut nicht mag? Ach da gibt’s doch diese Affirmationen! Die helfen mir sicher.
Los geht’s:
“Ich liebe mich.
Das Leben liebt mich.
Ich liebe meinen Körper.”
Okay … das habe ich mir anders vorgestellt. Ich find’ mich immer noch schrecklich. Hm, meine Beine sind eigentlich ganz schön. Aber dieser Pickel und dieser Hüftspeck… Und singen kann ich auch nicht. Ich kann halt nichts und bin auch offenbar nichts. Es ist halt wie’s ist. Ich rasier’ mir wenigstens meine Beine und trag’ eine Gesichtsmaske auf, damit ich mich für 10 Minuten besser fühle.“
Ist das nicht Selbstliebe genug?
Immerhin ist es genau das, womit Unternehmen ihr Geld verdienen. Sie würden nichts verdienen, würden wir uns wirklich selbst lieben. Aber was ist denn nun diese Selbstliebe? Und wo bekomm’ ich sie her?
An dieser Stelle finde ich es wichtig zu erwähnen, weshalb Selbstliebe so wichtig ist: Es verändert jede einzelne zwischenmenschliche Beziehung, die du hast, wenn du lernst, dich selbst zu lieben. Das bedeutet: Wenn du im Außen immer wieder an deine Grenzen stößt, ist das ein Zeichen dafür, an der Beziehung zu dir selbst zu arbeiten.
I feel you. Aber bleibe gerne einen Moment, ich werde versuchen, dir den Begriff näher zu bringen. Dazu sollten wir auch zu erst eine wichtige Unterscheidung vornehmen.
Denn oftmals wird Selbstliebe mit Selfcare verwechselt.
Was ist Selfcare und was ist Selbstliebe?
Selfcare bedeutet, sich mal eine Auszeit für sich zu nehmen, auf die eigenen Bedürfnisse zu achten. Dazu zählen Wellness-/Beautytage mit Gesichtsmasken und einem Bad, oder ein Netflixabend etc. All das was für ein angenehmeres Wohlergehen sorgt. Selfcare ist eher sanft und weich.
Selbstliebe hingegen ist ein brutaler Akt, eine Liebeserklärung an dich und dein Leben. Auch wenn das Wort per se sehr schön ist. Selbstliebe ist ein radikaler Akt des Für-Sich-Einstehens. In jeder erdenklichen Hinsicht. Es geht darum gesunde Grenzen zu setzen, sich selbst zu akzeptieren und anzunehmen, seine eigene Gesellschaft gut auszuhalten, die eigenen Gefühle anzunehmen, eigene toxische Muster zu erkennen und aufzulösen, sich selbst gegenüber radikal ehrlich zu sein, die Dinge, die langfristigen Erfolg bringen über die temporäre Erleichterung/Freude zu stellen, sich selbst zu motivieren und diszipliniert zu sein, für sich einzustehen, auch wenn das bedeutet, anderer Meinung als sein Umfeld zu sein, (Ko-)Abhängigkeiten aufzulösen, etc.
Wie du siehst, ist die Selbstliebe alles andere als ein Zuckerschlecken, aber auf der anderen Seite die erfüllenste Erfahrung, die wir als Menschen erleben können.
Und ich habe zu diesem Zeitpunkt 2 Thesen, wieso viele Menschen das Wort “Selbstliebe” nicht mehr hören können. Nimm dir einen Moment, um jetzt mit dir ehrlich zu sein.
These 1: Vielleicht gehörst du auch zu den Menschen, die denken sie praktizieren doch schon Selbstliebe - dabei handelt es sich lediglich um Selfcare. Und du verstehst deshalb nicht, wieso sich trotzdem nichts (oder nicht viel) in deinem Leben verändert. Selfcare ist eine wundervolle Sache - aber Selfcare macht, wenn überhaupt, vielleicht nur 20% der wirklichen Arbeit aus. Und deswegen wirst du damit allein trotzdem immer eher unzufrieden sein, obwohl du vermeintlich so viel für dich tust.
These 2: (Wobei beide Thesen auch gemeinsam auftreten können.) Du magst “Selbstliebe” nicht, weil du es einfach nicht schaffst, diese ganzen oben genannten Dinge für dich umzusetzen und bist deswegen frustiert und es nervt dich einfach nur.
Nun wann immer ich einen Post schreibe und das Wort benutze, denk’ ich mir auch: “Boah die können das sicher nicht mehr hören.” Weil ich weiß, wie schwierig es ist, wenn man den Begriff nicht richtig verstanden hat und besonders nervig ist der Begriff, wenn man ihn nicht für sich anwenden kann. Und es ist tatsächlich auch so, dass es kein Synonym dafür gibt! Bis auf Eigenliebe. Aber ich finde Selbst - und Eigenliebe doch sehr gleich. (Das zeigt doch, wie essenziell wichtig das Wort eigentlich ist, dass es nicht so einfach ersetzt werden kann.)
Ich habe mal kurz Wiki dazu gefragt, was sie dazu zu sagen hat:
Selbstliebe, auch Eigenliebe, bezeichnet die allumfassende Annahme seiner selbst in Form einer uneingeschränkten Liebe zu sich selbst. Der Begriff ist sinnverwandt, jedoch nicht vollständig synonym, mit Begriffen wie Selbstannahme, Selbstachtung, Selbstzuwendung, Selbstvertrauen und Selbstwert.
AHA!
Ich werde das Ganze einmal für dich auseinandernehmen.
“…die allumfassende Annahme seiner Selbst.”
Ergo: Du musst gar nicht alles an dir lieben und dich auch nicht total super und klasse finden. That’s the thing!
Es geht bei der Selbstliebe darum, dass du dich akzeptierst, so wie du bist.
“Ich hab’ da also Hüftspeck. - Okay, find ich vielleicht nicht schön, aber ich akzeptiere, dass es jetzt so ist und weiß, dass ich trotzdem liebenswert und genug bin.”
Ein anderes Beispiel sind z.B. auch psychische Krankheiten. “Ich akzeptiere, dass ich mich jetzt gerade so fühle. Trotzdem bin ich genug und liebenswert.”
Es geht um die reine Annahme deiner Selbst im JETZT.
“…uneingeschränkte Liebe zu sich selbst.”
bedeutet, obwohl dieses oder jenes da ist, akzeptiere ich mich. Egal wie gut oder blöd ich gerade war, oder wie gut oder schlecht ich gerade etwas getan habe, oder wie ich gerade aussehe: Ich akzeptiere mich jetzt.
Das bedeutet nicht, alles gut zu heißen, was du gerade tust oder auch nicht tust, aber in die Akzeptanz der jetzigen Situation zu gehen.
Und durch diese Akzeptanz und besonders Annahme deiner Selbst, kannst du gezielt Veränderungen vornehmen, wenn nötig. Denn wenn wir als Person wachsen wollen, ist Selbstliebe unabdingbar.
Ich möchte dir kurz ein paar Beispiele zeigen:
Wie wirkt: “Boah, ich muss zum Sport, weil ich 10 Kilo verlieren muss.” auf dich? Und wie fühlt sich das an, wenn du dir sagst: “Ich gehe jetzt zum Sport, um mir was Gutes zu tun.”?
oder
“Ich habe mich gerade richtig schei*e verhalten. Ich bin ein schlechter Mensch.” Was ist mit: “Das war gerade nicht so cool. Aber jetzt wo ich es weiß, kann ich es nächstes Mal anders machen.”
oder
Wechsel das “Warum bin ich immer so trottelig? Ich bekomm’ einfach nichts hin.” mit einem “Vielleicht brauche ich gerade einfach eine Pause, weil mir das zu viel ist. Dann kann ich meine Arbeit auch wieder gut ausführen.”
oder
Du wächst aus deinem Umfeld raus und die erste Frage, die sich dir stellt ist natürlich: “Habe ich etwas falsch gemacht? Jetzt mögen sie mich nicht mehr.” dabei ist es in Wahrheit: “Wir haben uns in unterschiedliche Richtungen entwickelt und es wichtig, dass ich mich in diesem Prozess mag.”
Ich möchte eins klarstellen an diesem Punkt:
Es geht nicht darum, besser zu sein als jemand anderes - es geht darum, dass ich heute die Person bin, die ich gestern gebraucht habe. Und dass ich die Person bin, die ich gebraucht habe, als ich klein war. Jemand, der mich nicht im Stich lässt, der mir zuhört, der mir vertraut, der mich sieht und mich akzeptiert.
Sei achtsam mit dir. Sei verständnisvoll mit dir selbst. Verzeih dir zu erst. Akzeptiere dich. Habe Mitgefühl mit dir. Höre dir selbst zu. Vertrau dir.
Wir wollen unsere Liebe so gern unseren Mitmenschen geben und vergessen dabei, dass sie zu aller erst uns selbst gehört.
Was wünschst du dir von anderen? Mehr Verständnis? Mehr Aufmerksamkeit? Einen liebevolleren Umgang? Dass deine Grenzen akzeptiert werden? Dass du gesehen wirst?
Sieh zu aller erst dich selbst.
Dein Leben wartet auf dich. Es wartet darauf, dass du dich siehst. Und dann, wenn du dich wirklich siehst mit all deinen Bedürfnissen, Wünschen, Stärken, Schwächen, Makeln und Talenten, dann wirst du lernen dich lieben.
Ich hoffe, Selbstliebe ist nun ein greifbarer Begriff geworden und du kannst dich langsam mit ihm anfreuden. Denn die Art, wie du dich selbst liebst, zeigt anderen, wie sie dich lieben können.
Wenn du nicht weißt, wie du in die Annahme und Akzeptanz gehen kannst, was deine Stärken, Schwächen etc. sind, können wir das gerne zusammen in einem Coaching erarbeiten.
